Kiko im Autismusland
Kindgerechte Aufklärung zum Thema Autismus
(c) Lisa Habermann

Hallo du, ja genau du!
Ich bin Kiko, ein kleines Fabelwesen und ich hab ganz buntes Kuschelfell. Ich wohne im Autismusland, einem ganz besonderen Ort, an dem alles ein bisschen anders, aber wundervoll ist. Ich freue mich sehr, dass du da bist, denn ich möchte dir erzählen, was Autismus ist. Aber keine Sorge, ich erkläre es dir ganz einfach und verständlich.
Aber zuerst: Mach es dir bitte ganz gemütlich. Wenn du magst, hol dir zur Stärkung eines deiner Lieblingsgetränke, ein paar leckere Snacks und auch deinen liebsten Kuschelfreund...und dann geht es los in ein Abenteuer voller Farben, Gefühle und Überraschungen.
Bist du bereit? Dann flüstere leise: „Hallo, Kiko!“, ich kann dich auch von ganz weit weg hören. Das ist eine meiner besonderen Fähigkeiten.
Cool, oder?

Kapitel 1
Ich freue mich riesig, dass du da bist. Zusammen wollen wir entdecken und verstehen, was Autismus eigentlich ist. Aber weißt du was? Bevor ich dir etwas erzähle, will ich dich kennenlernen und dich etwas fragen:
Wie heißt du?
Wie alt bist du?
Was weißt du schon über Autismus?
Hast du das Wort vielleicht schon einmal gehört?
Kennst du jemanden, der Autismus hat, oder bist du vielleicht selbst autistisch?
Mach dir bitte keine Sorgen, wenn du noch gar nichts weißt, hier darf jedes Kind lernen, staunen und fragen.
Wenn du magst, kannst du auf meinem kleinen Arbeitsblatt ein paar Gedanken aufschreiben oder malen. Ich bin gespannt auf deine Ideen. Deine Eltern oder Therapeut:innen können dir dabei helfen, das folgende Dokument auszudrucken:
Kapitel 2
Da ich dich nun schon ein wenig kennengelernt habe, möchte ich dir nun erzählen, was ich über Autismus weiß.
Menschen mit Autismus sehen, hören, denken oder fühlen Dinge oft auf ihre ganz eigene Weise. Das ist nichts Schlechtes, denn alle Menschen sind unterschiedlich und das ist in Ordnung so.
Hier habe ich ein cooles Beispiel für dich, vielleicht hilft es dir Autismus besser zu verstehen:
Stell dir vor, unsere Gehirne sind wie Spielkonsolen. Menschen ohne Autismus haben ein Gehirn, das wie eine PlayStation funktioniert und autistische Menschen haben ein Gehirn, das eher wie eine Nintendo Switch arbeitet. Beide Gehirne sind supercool und können tolle und beeindruckende Dinge, aber sie haben unterschiedliche Knöpfe und ein anderes Betriebssystem. Hast du schon einmal versucht ein PlayStation Spiel in eine Nintendo Switch Konsole zu legen? Ich habe es versucht, aber es hat einfach nicht funktioniert. Ein Nintendo Switch Spiel funktioniert auf einer PlayStation nicht und ein PlayStation Spiel auch nicht auf der Nintendo Switch. Das bedeutet aber nicht, das eine der beiden Konsolen nicht funktioniert. Sie benötigen einfach unterschiedliche Spiele, um funktionieren zu können.
Die Welt da draußen ist meistens wie ein Spiel, das für die PlayStation gemacht wurde. Denn es gibt mehr Menschen mit PlayStation-Gehirnen als mit Nintendo Switch-Gehirnen.
Das bedeutet: Für Menschen mit einem Nintendo Switch-Gehirn kann es ganz schön anstrengend sein, in der Welt der PlayStation-Gehirne zu leben. Aber ganz bestimmt nicht, weil sie etwas falsch machen, oder sich nicht genug anstrengen.
Hier sind einige Beispiele für Schwierigkeiten, die Autist:innen in der Welt da draußen haben können:
- In der Schule ist es oft laut, viele Menschen reden gleichzeitig. Das strengt das autistische Gehirn an und bringt es oft ganz durcheinander.
- Manchmal muss man schnell wechseln, zuhören und/oder reagieren. Das kann ein autistisches Gehirn überfordern. Dann wird ihnen ganz schwindelig, schlecht oder sie müssen weinen.
- Das autistische Gehirn versteht manche Regeln anders, und das fühlt sich dann komisch oder unverständlich an. Deshalb kann es schwierig für Autist:innen sein Freund:innen zu finden.
Das sind nur einige von vielen Beispielen. Aber weißt du was? Das bedeutet nicht, dass Menschen mit Autismus weniger können. Sie können einfach andere Dinge besonders gut. Manche Menschen mit Autismus sind blitzschnell im Rechnen, andere bemerken winzige Details, die anderen nie auffallen würden. Es gibt noch so viel mehr, was Autist:innen besonders gut können.
Das Wichtigste ist: Auch wenn jemand ein anderes Gehirn hat,
gehört er oder sie genauso dazu.
Manchmal braucht es nur etwas mehr Geduld, oder ein bisschen Hilfe, so wie bei einem neuen Spiel, das man erst lernen muss.
Ich, Kiko, finde das richtig spannend, du auch?
Wenn du willst, können wir zusammen noch mehr über Autismus lernen. Schau dir dazu einfach die nächsten Kapitel an.
Wenn du magst, kannst du auf meinem kleinen Arbeitsblatt dein neu erlangtes Wissen noch einmal festigen. Ich bin gespannt was du dir alles gemerkt hast. Deine Eltern oder Therapeut:innen können dir dabei helfen, das folgende Dokument auszudrucken:


Kapitel 3
Viele Kinder mit Autismus mögen es nicht, wenn es sehr laut oder unruhig ist.
Sie hören Geräusche viel stärker, wie durch einen Verstärker der die Geräusche viel lauter klingen lässt, als sie sind. Darum brauchen sie manchmal Ruhe, eine Pause oder Kopfhörer.
Jeden Tag passiert ganz schön viel um uns herum:
- Lichter blinken
- Menschen reden
- Vögel zwitschern
- Bienen summen
- Rettungswagen fahren durch die Straße
- Menschen atmen
- Jemand niest, die Tür quietscht, es riecht nach Essen
Das sind alles Reize und unser Gehirn muss entscheiden: „Welcher Reiz ist in diesem Moment wichtig und welcher Reiz nicht?“
Ich, Kiko, habe hier noch ein cooles Beispiel für dich, dass dir helfen kann die Herausforderungen mit der Reizverarbeitung etwas besser zu verstehen:
Stell dir vor, über deinem Kopf ist ein unsichtbarer Regenschirm, der dich vor unwichtigen Reizen schützt. Dieser Regenschirm hilft dir, unnötige Reize abzuwehren, wie er die Regentropfen bei starkem Regen von dir abhält, weil du sie nicht spüren willst.
Der Regenschirm vieler nicht autistischer Kinder funktioniert gut und er sagt dem Gehirn:
„Das Geräusch vom Stuhl ist egal, hör lieber zu was deine Lehrerin erzählt.“ oder: „Das Flackern der Lampe kannst du ausblenden, konzentrier dich auf das Spiel.“
Bei vielen
autistischen Kindern
ist dieser Regenschirm oft
kaputt oder hat Löcher.
Das bedeutet:
Alle Reize treffen gleichzeitig auf sie ein.
Hier sind ein paar Beispiele für dich, damit du verstehen kannst, welche Reize auf autistische Menschen eintreffen können:
- Die Lampe blinkt. Das tut Autist:innen oft weh in ihren Augen.
- Jemand raschelt mit Papier? Es klingt für viele Autist:innen wie ein Gewitter.
- Das T-Shirt kratzt? Es fühlt sich für viele autistische Menschen an wie eine Bürste auf der Haut.
- Jemand redet? Aber gleichzeitig summt das Licht, das Fenster klappert und es riecht komisch...
HILFE! Das ist ganz schön viel auf einmal, oder? Darum können autistische Kinder oft schneller müde sein, sie brauchen mehr Ruhe und mögen regelmäßig keine lauten Orte. Ihr Gehirn arbeitet extra viel, weil der Regenschirm sie nicht genug vor allen Reizen schützen kann,
Wenn du magst, kannst du auf meinem kleinen Arbeitsblatt dein neu erlangtes Wissen noch einmal festigen. Ich bin gespannt was du dir alles gemerkt hast. Deine Eltern oder Therapeut:innen können dir dabei helfen, das folgende Dokument auszudrucken:
Kapitel 4
Manchmal fällt es autistischen Kindern schwer, andere Kinder oder Erwachsene zu verstehen oder bei einem Spiel oder Gespräch mitzumachen. Das heißt jedoch nicht, dass sie keine Freund:innen wollen. Sie brauchen nur manchmal etwas mehr Zeit oder Hilfe.
Freund:innen zu haben ist toll. Man spielt zusammen, lacht, redet, tröstet sich und erlebt Abenteuer. Aber für manche Kinder ist es ganz schön schwer, Freundschaften zu knüpfen, ganz oft auch für autistische Kinder.
Soziale Regeln sind oft unsichtbare Spielregeln. Freundschaft funktioniert ein bisschen wie ein Spiel und jedes Spiel hat Regeln, zum Beispiel: Wann man spricht, wann man zuhört, wie man sich verabredet und wie man zeigt, dass man jemanden mag. Diese Freundschaftsregeln sind oft unsichtbar.
Viele Kinder lernen sie einfach so, ohne nachzudenken. Für autistische Kinder ist das nicht selten anders, denn sie sehen diese unsichtbaren Regeln häufig nicht oder verstehen sie manchmal nicht sofort.
Du fragst dich jetzt vielleicht, was dann passiert und wie Autist:innen reagieren? Hier sind einige Beispiele für dich:
- Sie sagen vielleicht etwas ganz ehrlich, das andere komisch finden oder sie traurig macht, Das ist aber keine Absicht.
- Sie wissen nicht, wann sie beim Reden „dran“ sind und unterbrechen andere Kinder unbeabsichtigt.
- Vielleicht reden sie ganz viel über ihr Lieblingsthema und merken dann nicht, dass du über etwas anderes reden willst oder dich nicht für das Thema interessierst.
- Eventuell spielen sie manchmal lieber alleine, weil es zu anstrengend ist, die Regeln zu erraten oder sie eine Pause brauchen.
Aber all das heißt nicht, dass sie keine Freunde wollen. Sie brauchen nur etwas Hilfe, Geduld, Pausen und Rücksicht.
Weißt du, was richtig toll sein kann? Sich auch einmal auf die Interesse von autistischen Kindern einzulassen. Auch wenn du Züge, Tiere, Zahlen oder ein bestimmtes Thema nicht kennst oder nicht magst, hör ihnen trotzdem mal zu. Vielleicht lernst du ja etwas Neues und kannst dich auch dafür begeistern.
Du kannst autistischen Kindern auch zeigen, was du magst, dann könnt ihr euch gegenseitig etwas beibringen, voneinander lernen und gemeinsam Spaß haben.
Wenn man Rücksicht aufeinander nimmt, kann das eine Freundschaft ganz bunt machen, etwa so bunt wie mein Kuschelfell. Freundschaft heißt nicht, dass man immer gleich ist und sich für die gleichen Themen interessiert. Es heißt: Man passt aufeinander auf, hört einander zu und freut sich, wenn der andere glücklich ist. Wenn ein Kind mit Autismus mal anders reagiert, anders redet oder Ruhe braucht, dann ist das okay. Mit etwas Rücksicht aufeinander können wundervolle Freundschaften entstehen. Ganz vielleicht sogar die besten der Welt.
Ich, Kiko, finde: Alle Kinder haben tolle Seiten, man muss sie nur entdecken. Denn Freundschaft ist wie ein Schatz, den man gemeinsam findet.
Wenn du magst, kannst du auf meinem kleinen Arbeitsblatt dein neu erlangtes Wissen noch einmal festigen. Ich bin gespannt was du dir alles gemerkt hast. Deine Eltern oder Therapeut:innen können dir dabei helfen, das folgende Dokument auszudrucken:


Autismus ist nichts, wovor man Angst haben muss.
Es ist eine andere Art, die Welt wahrzunehmen. So wie jeder Mensch anders aussieht, spricht, denkt oder fühlt. Genau das macht unsere Welt bunt, spannend und wundervoll.
Und weißt du was? Ich finde es ganz toll, dass du dir all diese Informationen durchgelesen hast. Je mehr Menschen sich über Autismus informieren, desto besser können wir einander verstehen und uns helfen. Du kannst deinen Freund:innen und deiner Familie von mir erzählen, dann können auch sie etwas über Autismus lernen.
Möchtest du noch mehr wissen? Dann lerne doch gerne meinen Freund Maui den autistischen Maulwurf kennen:
Bis bald, dein Kiko
Quelle: Habermann, L. & Kißler, C. (2022): Das autistische Spektrum aus wissenschaftlicher, therapeutischer und autistischer Perspektive. Springer.